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Gerichtliche Entscheidungen und Einzelerlasse zu Einreihungsfragen: Kraftfahrzeug (Kfz)-Ladesets.
Auszug aus dem Urteil des Finanzgerichts München vom 18. März 2021 Az: 14 K 2369/18
Tatbestand:
1. I. Die Beteiligten streiten über die zolltarifliche Einreihung von sog. Kraftfahrzeug (Kfz)-Ladesets.
2. Die Klägerin (…) führt regelmäßig u.a. sog. Ladeadapter, Ladekabel und Ladesets in die Europäische Union (EU) ein, mit denen mobile Geräte (z.B. Smartphones) über die in Kfz eingebauten Bordspannungsbuchsen (Zigarettenanzünder) mit Strom versorgt oder aufgeladen werden können.
8. Die Klägerin meldete die streitgegenständlichen Sendungen aus dem Zeitraum 2. Juli 2015 bis 19. Oktober 2015 unter der Tarifnummer: 8504 4090 20 an. Für diese Codenummer war eine Zollaussetzung aufgrund des Anhangs I zu Art. 1 der ab 1. Januar 2014 geltenden Verordnung (EU) Nr. 1387/2013 des Rates vom 17. Dezember 2013 zur Aussetzung der autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte landwirtschaftliche und gewerbliche Waren und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1344/2011 (Amtsblatt der EU – ABl EU – Nr. L 354/201; im Folgenden: VO Nr. 1387/2013) vorgesehen. Die VO Nr. 1387/2013 wurde mit Wirkung ab dem 1. Juli 2015 durch die Verordnung (EU) 2015/982 des Rates vom 23. Juni 2015 geändert (ABl EU Nr. L 159/5; im Folgenden VO Nr. 2015/982).
9. Am 3. August 2016 ordnete das beklagte Hauptzollamt (HZA) für den Zeitraum 1. Januar 2014 bis 30. Juni 2016 eine Zollprüfung bei der Klägerin an. Die Prüfer kamen u.a. zu der Auffassung, dass die streit-gegenständlichen Waren in die Codenummer: 8504 4090 90 mit einem Zollsatz von 3,3 % einzureihen seien.
10. Das HZA erließ wegen dieser und weiterer Feststellungen am 23. Mai 2017 einen Abgabenbescheid …. Gegen den Bescheid legte die Klägerin … Einspruch ein.
12. Ihre Klage … begründet die Klägerin im Wesentlichen damit, dass es sich bei den Waren um einzelne Gleichstromumformer handele, die sich in einer Verpackung mit einem Hinweis zur Entsorgung der Ware befänden. Eine Warenzusammenstellung liege nicht vor. … Für die Ladesets könne nichts anderes gelten, denn es handele sich bei den verschiedenen Adaptern um Teile, die für den bestimmungsgemäßen Gebrauch der Hauptware unabdingbar seien. …
14. Das HZA beantragt, die Klage abzuweisen.
15. Es nimmt Bezug auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung … und führt ergänzend aus, dass es sich bei den streitgegenständlichen Waren um verschiedene Sets jeweils in einer Aufmachung für den Einzelverkauf handele. …… Darüber hinaus stelle die VO Nr. 2015/982 klar, dass aus verschiedenen Bestandteilen bestehende Waren nicht unter die Zollaussetzung fielen. Dies gelte auch für die hier vorliegenden Warenzusammenstellungen.
Entscheidungsgründe:
17. II. Die Klage ist unbegründet. …
18. Das HZA hat der Berechnung der Zollschuld zu Recht einen Zollsatz von 3,3 % zugrunde gelegt. Die einzureihenden Waren erfüllen nicht die Voraussetzungen für eine Zollaussetzung.
22. Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die streitgegenständlichen Ladesets –… – als Warenzusammenstellungen einheitlich in die Unterpos. 8504 4090 KN einzureihen.
36. 2. Die einzureihenden Waren erfüllen nicht die Voraussetzungen für eine Zollaussetzung.
37. Nach Art. 1 Abs. 1 der VO Nr. 1387/2013 in der für den Streitfall maßgebenden, ab 1. Juli 2015 geltenden Fassung werden die autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für die in Anhang I der VO Nr. 1387/2013 aufgeführten Waren ausgesetzt. Die Zollaussetzung wird mit Hilfe des von der Europäischen Kommission auf der Grundlage des Art. 2 der VO Nr. 2658/87 erstellten Integrierten Tarifs in der neunten und zehnten Stelle der Codenummer (TARIC-Code) abgebildet.
39. Aus der im Streitfall einschlägigen Unterpos. 8504 4090 KN sind im Anhang I der VO Nr. 1387/2013 unter dem TARIC-Code 8504 4090 20 „Gleichstromumformer“ genannt. Warenzusammenstellungen, die neben anderen Waren auch einen Gleichstromumformer enthalten, sind hiervon nicht erfasst.
40. Vorschriften über Zollaussetzungen sind entsprechend ihrem Wortlaut eng auszulegen, so dass sie nicht über ihren Wortlaut hinaus auf Erzeugnisse angewandt werden dürfen, die von ihnen nicht erfasst sind (EuGH-Urteile vom 12. Dezember 1996 Rs. C-47/95 bis C- 50/95, C-60/95, C-81/95, C-92/95 und C-148/95, Slg. 1996, I-6579, Randnr. 20 sowie vom 3. Dezember 1998 Rs. C-247/97, Slg. 1998, I-8095 Randnr. 23).
41. Vom Wortlaut des TARIC-Codes 8504 4090 20 sind ausschließlich „Gleichstromumformer“ erfasst. …
42. Die AV 3 Buchst. b) ist auf TARIC-Ebene zur Feststellung, ob eine Ware unter eine Zollaussetzung fällt, nicht anzuwenden. …
46. Die elektrische Schaltung vom Typ eines Gleichstromumformers ist zwar in der hier einzureihenden Ware enthalten; dies führt aber nach Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 1387/2013 in der für den Streitfall maßgeblichen, ab 1. Juli 2015 geltenden Fassung nicht dazu, dass sich die Zollaussetzung auf das gesamte Ladegerät erstreckt.
47. Nach dieser Regelung gilt die Zollaussetzung für die in Anhang I aufgeführten Waren nicht für Gemische, Zubereitungen oder aus verschiedenen Bestandteilen bestehende Waren, welche die in Anhang I aufgeführten Waren enthalten.
48. Die im Streitfall einzureihenden Ladegeräte enthalten neben der elektrischen Schaltung im Inneren weitere Bauelemente, nämlich das Gehäuse und die Anschlusselemente, die zu einer gebrauchsfertigen Ware zusammengefügt sind. Insbesondere mit dem Gehäuse ist ein Bauelement vorhanden, das für die Funktion des Stromrichters, eine am Eingang zugeführte Gleichspannung in eine Gleichspannung mit einem anderen Spannungsniveau umzuwandeln, nicht erforderlich ist. Die in Rede stehenden Ladegeräte weisen damit über die für einen Gleichstromumformer notwendigen elektrischen bzw. elektromechanischen Einzelelemente hinaus weitere Bestandteile auf, die einer Einreihung in den TARIC-Code 8504 4090 20 entgegenstehen.
(Stand: 08.07.2021)
Quelle: Zoll.de