Gerichtliche Entscheidungen und Einzelerlasse zu Einreihungsfragen: Einreihung von Haselnüssen in die Kombinierte Nomenklatur

Gerichtliche Entscheidungen und Einzelerlasse zu Einreihungsfragen:

Auszug aus dem Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 20. Oktober 2020, Az: 11 K 1126/19:

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Nacherhebung von Zoll aufgrund einer abweichenden Einreihung von Haselnüssen in die Kombinierte Nomenklatur (Anhang I zur Verordnung (EWG) 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 – KN) in ihrer im Zeitpunkt der Einfuhr (18. Januar 2016) geltenden Fassung.

…Die Einreihung war und ist Gegenstand diverser Rechtsbehelfsverfahren….

Mit vereinfachter Zollanmeldung vom 18. Januar 2016 … meldete die Klägerin … „Turkish Hazelnutkernels, slightly roasted, 9-11 mm“ als „Schalenfrüchte, in anderer Weise zubereitet – Haselnusskerne, leicht geröstet“ unter der Codenummer 2008 1919 30 0 EZT zur Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr an. Nach Abgabe der ergänzenden Zollanmeldung … für die eingeführten Haselnüsse wurden diese – der Anmeldung entsprechend – als zollfrei behandelt und lediglich 7 % Einfuhrumsatzsteuer festgesetzt.

Im Rahmen der Abfertigung entnahm das Zollamt … eine Probe zur Begutachtung…[und]…kam zu dem Ergebnis, dass die Haselnüsse als „Haselnüsse, getrocknet, ohne Schalen“ in Codenummer 0802 2200 00 0 EZT (Zollsatz 3%) einzureihen seien. Seiner Warenbeschreibung nach handelte es sich um „ganze Haselnusskerne, vorherrschend mit fest anhaftender Samenschale, teilweise auch mit leicht entfernbarer Samenschale und nahezu ohne Samenschale; ohne Braunfärbung, die auf ein Rösten hinweist; weicher Biss; Geruch und Geschmack getrockneten Haselnüssen entsprechend, ohne wahrnehmbares Röstaroma.“

Ausgehend von der Codenummer 0802 2200 00 0 EZT erhob das beklagte Hauptzollamt mit Einfuhrabgabenbescheid vom 29. September 2016 … Zoll … nach. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies es mit Entscheidung vom 28. März 2019 als unbegründet zurück, woraufhin die Klägerin mit bei Gericht am 29. April 2019 eingegangenem Schriftsatz Klage erheben ließ.

Zur Begründung ihrer Klage verweist die Klägerin auf ihren Vortrag im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren. … Sämtliche Nüsse seien thermisch behandelt, um ein Schimmeln zu verhindern. Dadurch platze die Samenhaut teilweise ab. Gleichzeitig werde eine homogene Feuchtigkeit der noch zu mahlenden Früchte erreicht. Durch eine bloße Trocknung seien diese Effekte nicht gewährleistet. Eine solchermaßen dosierte thermische Behandlung müsse nicht zwingend zum Erliegen jeglicher Enzymtätigkeit führen. Dies sei nur dann der Fall, wenn die Nüsse komplett „durchgeröstet“, also schwarz würden. Dann seien sie aber für den von der Klägerin vorgesehenen Verwendungszweck nicht mehr geeignet. Die thermische Behandlung sei daher Grundvoraussetzung für die Weiterverarbeitung durch Vermahlen.

Hinsichtlich der Behandlung der Ware vor der Einfuhr verweist die Klägerin auf die schriftliche Darstellung der Bearbeitungsschritte ihres Lieferanten…. Danach werden die „slightly roasted“ Haselnüsse zunächst noch mit Schale grob kalibriert und von Fremdkörpern befreit, anschließend „über Mühlen geschlagen“ und so von der Schale befreit und „über Trommelsiebe   (erneut) kalibriert“. Nach einer abschließenden Selektierung per Hand würden die Haselnüsse…..bei einer Temperatur von 115 ⁰C 12 Minuten lang geröstet und die Restfeuchtigkeit der Haselnusskerne auf einen Bereich zwischen 4,0 und 5,5 % reduziert.

Dass das Röstaroma nach wenigen Tagen verschwinden könne, sei kein Indiz dafür, dass keine thermische Behandlung erfolgt sei. …Zudem sei die Dauer der thermischen Behandlung abhängig vom Feuchtigkeitsgehalt unterschiedlich lang, was zu unterschiedlich starken Röstaromen führen könne.

Die Waren entsprächen den von den vZTA DE 9825/11-1 und DE 19601/15-1 erfassten Waren. Die zuletzt genannte vZTA sei im vorliegend maßgeblichen Zeitpunkt gültig gewesen.

Die Klägerin beantragt, den Einfuhrabgabenbescheid des Beklagten…aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das HZA beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Es verweist zunächst auf die Gründe der Einspruchsentscheidung. … Aufgrund des Ergebnisses der Untersuchung der Probe könne … nur von einer moderaten thermischen Behandlung ausgegangen werden, so dass die eingeführten Früchte als getrocknete Haselnüsse in Position 0802 KN einzureihen seien. Die Klägerin könne sich auch nicht auf die ihr erteilte vZTA DE 19601/15-1 berufen.

Da die der Position 0802 KN zugewiesenen Einfuhrproben sich in den für die Beurteilung herangezogenen Analysewerten deutlich von den Werten der zu vZTA DE19601/15-1 vorgelegten Probe unterschieden, sei eine von der vZTA abweichende Einreihung nachvollziehbar und rechtens.

Die Einreihung der Haselnüsse in Position 2008 KN mit den vZTA DE 9825/11-1 bzw. DE 19601/15-1 sei aufgrund der durch die thermische Behandlung veränderten chemischen Eigenschaften erfolgt, nicht aufgrund einer thermischen Behandlung von bestimmter Dauer bei bestimmter Temperatur….

Wenn also außer der Verringerung des Wassergehalts keine weiteren Veränderungen festzustellen seien, seien die Waren als „Haselnüsse, getrocknet” der Position 0802 KN zuzuweisen; eine Einreihung als „Haselnüsse, zubereitet” in Position 2008 KN komme nicht in Betracht.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. …

Das Hauptzollamt hat die von der Klägerin eingeführten Haselnüsse zutreffend in die Unterposition 0802 2200 KN eingereiht …

  1. Bei den mit vereinfachter Zollanmeldung vom 18. Januar 2016 eingeführten Haselnüssen handelte es sich um Waren der Position 0802 KN („andere Schalenfrüchte, frisch oder getrocknet, auch ohne Schalen oder enthäutet“). Die Nüsse wurden zwar vor ihrer Einfuhr einer thermischen Behandlung unterzogen; dies führt jedoch nicht dazu, dass sie als „… Nüsse …, in anderer Weise zubereitet oder haltbar gemacht, …, anderweitig weder genannt noch inbegriffen“ in Position 2008 KN einzureihen wären.
  2. a) … Auf der Grundlage der AV 1 hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in ständiger Rechtsprechung entschieden, im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit sei das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen sowie in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln der KN festgelegt sind.

Die von der Klägerin begehrte Einreihung in Unterposition 2008 1919 KN kommt demnach nur in Betracht, wenn die von ihr eingeführten Haselnüsse nicht bereits in eine andere Position, namentlich in Position 0802 KN einzureihen, also dort „genannt oder inbegriffen“ sind.

  1. b) Die von der Klägerin eingeführten Haselnüsse werden als „andere Schalenfrüchte“ als Kokosnüsse, Paranüsse und Kaschu-Nüsse (Position 0801 KN), „frisch oder getrocknet, auch ohne Schalen oder enthäutet“ von Position 0802 KN erfasst. Unstreitig wurden die Nüsse vor der Einfuhr einer thermischen Behandlung unterzogen, die zu einer Reduzierung des Feuchtigkeitsgehalts geführt hat. Die thermische Behandlung als solche führt jedoch  – anders als die Klägerin meint –  nicht per se zum Ausschluss aus Position 0802 KN. Als Folge der Wärmebehandlung können die Nüsse allerdings nicht als frische, sondern nur als getrocknete Nüsse in Position 0802 KN eingereiht werden.

  1. c) Die thermische Behandlung der Nüsse hat auch nicht dazu geführt, dass diese den Charakter von getrockneten Nüssen verloren haben (Anmerkung 3 Buchst. a zu Kapitel 8 KN).

…die Untersuchung der gezogenen Proben hat ergeben, dass die eingeführten Nüsse ausweislich der von der Klägerin nicht bestrittenen Warenbeschreibung typische Merkmale von getrockneten – und nicht gerösteten –  Nüssen aufwiesen.

  1. Die vZTA DE 19601/15-1 verpflichtet nicht zur Einreihung der Haselnüsse in Position 2008 KN.
  2. a) Nach Art. 12 Abs. 2 Zollkodex (Verordnung [EWG] Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften – ZK) bindet die verbindliche Zolltarifauskunft die Zollbehörden gegenüber dem Berechtigten hinsichtlich der zolltariflichen Einreihung der Waren. Zu diesem Zweck muss der Berechtigte nachweisen können, dass die angemeldete Ware der in der Auskunft beschriebenen in jeder Hinsicht entspricht (Art. 12 Abs. 3 Anstrich 1 ZK i.V.m. Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zum ZK – ZK-DVO). Dieser Nachweis ist der Klägerin vorliegend nicht gelungen.

Die eingeführten Waren entsprechen nicht den in der vZTA beschriebenen Waren. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Kriterien zum Geruch und Geschmack, zur Bissfestigkeit, Enzymtätigkeit und HPLC-Untersuchung:

 Warenprobe der eingeführten WarenWarenbeschreibung der vZTA DE 19601/15-1
Bissfestigkeitweicher Bisszum Teil sehr hart
Geruch
Geschmack
getrockneten Haselnüssen entsprechend, ohne wahrnehmbares Röstaromaleicht bitter, aromatisch bis leicht geröstet schmeckend
Farbeohne Braunfärbungbeigefarben bis leicht bräunlich
Samenhautvorherrschend mit fest anhaftender Samenschale, teilweise auch mit leicht entfernbarer Samenschale und nahezu ohne SamenschaleDie Samenhaut ist bei einem Teil der Haselnusskerne gar nicht mehr oder nur noch zu einem Teil vorhanden.
Trockenmasse95,28 GHT97,2 GHT
PeroxidaseEnzymaktivität vorhanden
(Rosafärbung)
negativ
PolyphenoloxidaseEnzymaktivität vorhanden
(Violettfärbung)
negativ
HPLCgetrockneten Haselnüssen entsprechendRöststoffe nachweisbar

 

Aufgrund der Summe der Abweichungen kann nicht mehr von einer Übereinstimmung der eingeführten Haselnusskerne mit den der vZTA DE 19601/15-1 zugrundeliegenden Waren ausgegangen werden. Es handelt sich auch nicht um lediglich marginale Abweichungen, die an den Grundeigenschaften der eingeführten Haselnüsse nichts zu ändern vermögen. Vielmehr weichen die eingeführten Haselnüsse in allen …. als für die Einreihung entscheidend angesehenen Merkmalen von der in der vZTA dokumentierten Warenbeschaffenheit ab.

  1. b) Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BFH, insbesondere seines Urteils vom 26. Januar 2012 – VII R 17/11, kann vorliegend nicht von einer Bindung an die vZTA ausgegangen werden.

  1. dd) Für die Abgrenzung der Position 0802 KN von Position 2008 KN ist u.a. maßgeblich, ob die Nüsse „in anderer Weise zubereitet oder haltbar gemacht“ wurden. Hierzu reicht die Tatsache, dass die Nüsse einer thermischen Behandlung unterzogen wurden, für sich genommen gerade nicht aus, denn die Hitzebehandlung stellt zugleich eine auch im Rahmen des Kapitels 8 KN gängige Trocknungsmethode dar (siehe Anmerkung 3 Buchst. a zu Kapitel 8 KN und oben unter 1. Buchst. b). Es bedarf daher zusätzlicher objektiver Merkmale zur Abgrenzung lediglich getrockneter von in anderer Weise zubereitet oder haltbar gemachter Nüsse.

Die oben unter 2. Buchst. A aufgelisteten Merkmale waren für die Einreihung der vZTA ersichtlich von Bedeutung.

(Stand: 26.08.2021)

Quelle: Zoll.de