Antrag auf Aussetzung der Vollziehung einer verbindlichen Zolltarifauskunft nach Art. 33 Abs. 1, 1. Alt. UZK ist nach § 69 FGO i. V. m. Art. 45 UZK statthaft

Auszug aus dem Urteil des Finanzgerichts Hamburg (4. Senat) vom 21. Dezember 2017 in der Rechtssache 4 V 143/17

Leitsatz

1. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung einer verbindlichen Zolltarifauskunft nach Art. 33 Abs. 1, 1. Alt. UZK ist nach § 69 FGO i. V. m. Art. 45 UZK statthaft, da eine verbindliche Zolltarifauskunft unter der Geltung des UZK ein vollziehbarer und aussetzungsfähiger Verwaltungsakt ist (Rn.3).

2. Ein Panel für Röntgengeräte mit CMOS-Bildsensor mit Szintillator und Bildsignalelektronik zum Erzeugen eines Rohdatenbildes durch Umwandeln von Röntgenstrahlen in Lichtimpulse, sog. Röntgenflachdetektor, ist als Fernsehkamera in die Position 8525 KN, TARIC-Unterposition 8525 8019 900 einzureihen (Rn.9)(Rn.17)(Rn.18).

Gründe:

Rn.3:

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung einer verbindlichen Zolltarifauskunft, die – wie bei den streitgegenständlichen verbindlichen Zolltarifauskünften vom 11.05.2016 gegeben – nach Art. 33 Abs. 1, 1. Alt. UZK erlassen wird, ist statthaft, da Einspruch und Anfechtungsklage gegen eine verbindliche Zolltarifauskunft gemäß Art. 45 Abs. 1 UZK keine aufschiebende Wirkung haben und eine verbindliche Zolltarifauskunft unter der Geltung des Unionszollkodex ein vollziehbarer und damit aussetzungsfähiger Verwaltungsakt ist. Gemäß Art. 33 Abs. 2 Buchst. a), b) UZK ist die verbindliche Zolltarifauskunft hinsichtlich der zolltariflichen Entscheidung hinsichtlich der Waren, für die die Zollformalitäten nach dem Zeitpunkt erfüllt werden, zu dem die Entscheidung wirksam wird, und ab dem Tag, an dem die Entscheidung dem Inhaber zugestellt wird bzw. als ihm zugestellt gilt, sowohl für die Zollbehörden als auch gegenüber dem Inhaber der Entscheidung verbindlich. Damit hat, anders als nach der vormaligen Rechtslage auf der Grundlage der Vorschriften des Zollkodex (vgl. dazu FG Hamburg, Beschluss vom 20.02.2014, 4 V 140/13, in: juris), die verbindliche Zolltarifauskunft nunmehr eine für den Inhaber nicht nur begünstigende, sondern auch belastende Rechtswirkung. Dies hat zur Folge, dass die verbindliche Zolltarifauskunft – ungeachtet ihres Charakters eines (bloß) feststellenden Verwaltungsakts – aufgrund der bei nicht antragsgemäßer Einreihung gegebenen nachteiligen Beeinflussung des Status quo des Inhabers verbunden mit der Verpflichtung des Inhabers, die verbindliche Zolltarifauskunft bei Einfuhrvorgängen anzugeben, als ein vollziehbarer und damit aussetzungsfähiger Verwaltungsakt anzusehen ist (vgl. dazu auch Schoenfeld, ZfZ 2017, S. 226, 229). …

Rn.17:

Die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren stellen sich als Fernsehkameras der Position 8525, Unterposition 8525 8019 900 mit einem Drittlandszollsatz von 3,3 % (Fernsehkameras, andere als von der Unterposition 8525 8011 000 oder den TARIC-Positionen 8525 8019 200 bis 8525 8019 700 erfasst) dar. Mangels weiterführender Hinweise zum Begriff der Fernsehkamera im Wortlaut der Position bzw. Unterpositionen und in den Anmerkungen zur Kombinierten Nomenklatur ist auch hier auf die Erläuterungen zum Harmonisierten System und die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur als maßgebliches Erkenntnismittel zurückzugreifen. In den Erläuterungen zu Position 8525 HS, Rz. 08.-11.0 in EZT-online, heißt es, dass zu der Gruppe “Fernsehkameras, digitale Fotoapparate und Videoaufnahmegeräte” solche Kameras gehören, die ein Bild aufnehmen und in ein elektronisches Signal umwandeln, das 1) als Videobild zu einem Ort außerhalb der Kamera gesendet wird, um es zu betrachten oder aufzuzeichnen (z. B. Fernsehkameras); oder das 2) in der Kamera als Einzelbild oder Bewegtbild aufgezeichnet wird (z. B. digitale Fotoapparate und Videoaufnahmegeräte). In Rz. 12.0 EZT-online, Sätze 2 und 3, der genannten Erläuterungen heißt es weiter, dass die Kameras der Position 8525 und die Kameras des Kapitels 90 optische Linsen zum Fokussieren des Bildes auf einem lichtempfindlichen Träger und Vorrichtungen zum Regeln des Lichts, das in die Kamera einfällt, enthalten, jedoch die Fotoapparate und Filmkameras des Kapitels 90 die Bilder auf einen fotografischen Film des Kapitels 37 belichten, während die Kameras dieser Position die Bilder in analoge oder digitale Daten umwandeln. In Rz. 13.0, Sätze 1 und 2, EZT-online der genannten Erläuterungen heißt es, dass die Kameras dieser Position ein Bild aufnehmen, indem sie das Bild auf ein lichtempfindliches Bauteil, wie einen Komplementären Metall-Oxid-Halbleiter (CMOS) oder eine ladungsgekoppelte Vorrichtung (charge coupled device – CCD-Sensor) fokussieren, und das lichtempfindliche Bauteil ein den Bildern entsprechendes Signal sendet, das in eine analoge oder digitale Bildaufzeichnung weiterverarbeitet wird.

Rn.18:

Die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren erfüllen diese in den Erläuterungen genannten Voraussetzungen. Sie nehmen ein Bild, nämlich die in unterschiedlicher Intensität auf einer bestimmten Fläche des Röntgenflachdetektors auftreffenden Röntgenstrahlen, auf und wandeln es in entsprechende elektronische Signale um, die zu einem Ort außerhalb des Röntgenflachdetektors gesendet werden, um es zu betrachten oder aufzuzeichnen. Dabei nehmen sie das Bild auf, indem sie – nach der Umwandlung der Röntgenstrahlen in sichtbare Lichtimpulse – das Bild auf ein lichtempfindliches Bauteil, hier einen Komplementären Metall-Oxid-Halbleiter (CMOS), fokussieren und das lichtempfindliche Bauteil ein den Bildern entsprechendes Signal sendet, das in eine digitale Bildaufzeichnung weiterverarbeitet wird. Das aufzunehmende Bild im Sinne der genannten Erläuterungen muss dabei nicht zwingend ein bereits im Ausgangszustand von einem menschlichen Auge wahrnehmbares Bild sein. Wie sich aus der Formulierung in den Erläuterungen zu Position 8525 HS, Rz. 09.0 bis 11.0 in EZT-online, ergibt, ist vielmehr entscheidend, dass das aufgenommene Bild nach der Umwandlung in ein elektronisches Signal als Videobild bzw. Einzelbild oder Bewegtbild aufgezeichnet und durch das menschliche Auge betrachtet werden kann. Dass die Erläuterungen zu Position 8525 HS in diesem Sinne zu verstehen sind, wird durch die Erläuterungen zu Position 8525 KN, Rz. 00.5 in EZT-online, Satz 1, unterstützt. In dieser Erläuterung heißt es, dass zur Position 8525 auch Wärmebildkameras mit Infrarot-Bildaufnehmern gehören, die Wärmestrahlung aufnehmen und sie in Bilder umwandeln, die die Temperaturen einzelner Flächen oder Objekte als unterschiedliche Grautöne oder Farben darstellen. Dieser Vorgang ist dem Aufnehmen von Röntgenstrahlung unterschiedlicher Intensität und deren Umwandlung in eine bildliche Darstellung, wie es die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren tun, vergleichbar. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich ferner, dass es unerheblich ist, dass das durch das menschliche Auge zu betrachtende Bild erst außerhalb des Röntgenflachdetektors nach Weiterleitung der elektronischen Signale an einen PC betrachtet werden kann. Entscheidend ist, dass die Fernsehkamera im Sinne der Position 8525 in der Lage ist, das aufgenommene Bild in elektronische Signale umzuwandeln, die ein Aufzeichnen bzw. Betrachten des Bildes an einem Ort außerhalb der Kamera ermöglichen. Dass das betrachtbare Videobild bereits in der Kamera erzeugt und als solches an einen Ort außerhalb der Kamera weitergeleitet werden müsste, ergibt sich aus der Erläuterung hingegen nicht. Schließlich steht auch der Umstand, dass die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren nicht über eine “optische Linse” zum Fokussieren des Bildes auf einem lichtempfindlichen Träger und Vorrichtungen zum Regeln des Lichts, das in die Kamera einfällt, verfügen, der Einreihung als Fernsehkamera im Sinne der Position 8525 nicht entgegen. Die entsprechende Formulierung in den Erläuterungen zu Position 8525 HS, Rz. 12.0 in EZT-online, Satz 2, ist in Zusammenhang mit dem Folgesatz 3 zu lesen. Es wird dort zunächst beschrieben, welche Charakteristika typischerweise die Kameras sowohl der Position 8525 als auch des Kapitels 90 aufweisen (optische Linse, Vorrichtungen zum Regeln des Lichts), während sodann im Satz 3 die Besonderheiten der Kameras der Position 8525 (Umwandlung der Bilder in analoge oder digitale Dateien) in Abgrenzung zu denen des Kapitels 90 (Belichtung der Bilder auf einen fotografischen Film des Kapitels 37) herausgestellt werden. Ein darüber hinaus gehender Aussagegehalt dahin gehend, dass nur Kameras mit einer optischen Linse und Vorrichtungen zum Regeln des Lichts Kameras im Sinne der Position 8525 sein können, kommt der genannten Erläuterung nicht zu. Vielmehr kommt es darauf an, dass das in eine analoge oder digitale Datei umzuwandelnde Bild in Form der Lichtimpulse in geeigneter Weise auf den lichtempfindlichen Träger auftreffen kann und insoweit “fokussiert” wird. Dies ist bei den streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren gewährleistet, da durch die Anordnung der entsprechenden Bauteile die maßgeblichen Lichtimpulse auf den CMOS-Sensor gelenkt werden.

(Stand: 01.03.2018)

Quelle: Zoll. de